Grußwort – Europa und das Magdeburger Recht

Warum war Deutschland in der 2. Jahreshälfte 2020 besonders wichtig für Europa?

Deutschland hatte ab dem 1. Juli 2020 turnusmäßig für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union inne. Die Bundesrepublik hatte damit Gelegenheit, im Rahmen eines Präsidentschaftsprogramms Schwerpunkte in der europäischen Politik zu setzen und die Interessen der EU als Vermittler zwischen den Mitgliedsstaaten voranzubringen und Akzente in der europäischen Politik zu setzen. Dabei erfolgte eine enge Abstimmung mit den Mitgliedstaaten der EU.
Auch die Länder der Bundesrepublik konnten in diesem Zusammenhang Aspekte von überregionaler Bedeutung thematisieren und deren Bedeutung hervorheben.

Eva Feußner | Bildungsministerin des Landes Sachsen-Anhalt | © ronhartmann.com

War Sachsen-Anhalt auch früher wichtig in Europa?

Für uns in Sachsen-Anhalt war die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Deutschland deshalb ein guter Anlass daran zu erinnern, dass es eine Stadt in unserem heutigen Bundesland war, von der im 12. Jahrhundert ein Komplex von Rechten und Normen ausging, der bis ins 19. Jahrhundert in zahlreichen Städten Mittel- und Osteuropas Geltung hatte: Das Magdeburger Recht. Dieses besondere Stadtrecht hatte seinen Ursprung im heutigen Sachsen-Anhalt und seine enorme Ausstrahlung ist ein wichtiges Thema der europäischen Rechts- und Kulturgeschichte. Zu seinem Verbreitungsgebiet gehörten Städte und Landschaften der heutigen Staaten Polen, Tschechien, Slowakei, Litauen, Estland, Lettland, Weißrussland, Rumänien, Ungarn oder die Ukraine. Ihre Rechtsordnungen beruhten in starkem Maße auf Quellen des sächsisch-magdeburgischen Rechts (Sachsenspiegel und Magdeburger Stadtrecht), die seit dem Spätmittelalter übernommen, regional-spezifisch bearbeitet, teilweise in die Landessprachen übersetzt und im Rechtsalltag angewendet wurden. Die lange Geltungsdauer des Sachsenspiegels in einigen Gebieten Deutschlands und in zahlreichen ostmitteleuropäischen Ländern bis an das heute geltende Recht heran ist somit eine der Wurzeln moderner Rechtsstaatlichkeit.

Warum hat der Verein „Offene Türen“ eine Kinder- Website gemacht?

Der Verein „Offene Türen“ hat es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, Kindern die Bedeutung des Magdeburger Rechts für das heutige Europa nahe zu bringen und sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Anlässlich der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft ging deshalb eine völlig neu überarbeitete Website ans Netz, die das Thema auf digitalem Weg aufgreift und damit den modernen Lerngewohnheiten der Schülerinnen und Schüler anpasst. Hier lernen die Kinder die Grundzüge des Magdeburger Rechts und ihre Bezüge zur Gegenwart kennen, und sie können die Lernaktivitäten selbst mitgestalten. Auch Lehrkräfte, Eltern und Fachleute können mit diesem Format besser als bisher einbezogen werden und das Projekt gemeinsam gestalten und mit Leben erfüllen. Dank des digitalen Formats wirkt das Projekt auch überregional, und so kann – ganz im Sinne des Projekttitels – ein freundschaftliches Band zu Kindern in allen europäischen Städten des Magdeburger Rechts geknüpft werden.

Ich danke allen Beteiligten und Partnern für ihren Enthusiasmus und die vielen erfolgversprechenden Ideen. Ich wünsche dem Projekt ein gutes Gelingen!

Eva Feußner

Bildungsministerin des Landes Sachsen-Anhalt