Die Stadt und das Recht – eine Einführung

Recht

Leben in der Stadt, das heißt mit vielen unterschiedlichen Leuten zusammenzuleben. Da kann es leicht zu Streit kommen. Das hat man schon in den ältesten Städten der Geschichte der Menschheit in Mesopotamien vor beinahe 4000 Jahren festgestellt.

Um Ordnung zu stiften und Frieden herzustellen, hat man aufgeschrieben, nach welchen Regeln man in der Stadt lebte. Der Codex Hammurabi aus Babylon mit seinen in Stein gemeißelten Rechtsbestimmungen ist mit das älteste aufgeschriebene Recht der Menschheit. Überall, wo Menschen dicht zusammenleben, braucht man Recht.

Portrait Dr. Gabriele Köster, Direktorin der Magdeburger Museen
Dr. Gabriele Köster, Direktorin der Magdeburger Museen

Stadtluft macht frei

Im Mittelalter stellten die Könige, Kaiser und andere Herren der Städte fest, dass viel mehr Menschen in ihren Städten leben wollten, wenn sie den Menschen die Freiheit gaben, selbst Eigentum zu besitzen, dieses ihren Kindern zu vererben, und selbst ihre Lebensumstände zum Teil mitzubestimmen. Die Einwohner der Städte waren fleißiger, wenn sie für sich selbst und ihre Familien arbeiteten, und weil sie mehr Geld hatten, konnten sie sich mehr leisten. Das wussten auch die Fernhändler, die dann zu den Märkten in dieser Stadt kamen. Kurzum, Städte waren umso größer und schöner, umso mehr Freiheiten ihre Einwohner, die Bürger, genossen. Im Stadtrat durften die Bürger selbst die Regeln bestimmen, nach denen sie in der Stadt lebten.

Magdeburger Recht

Es stellte sich heraus, dass das Recht, nach dem die Leute in Magdeburg zusammenlebten, anderen Städten als vorbildhaft erschien, so dass sie es übernahmen. Insgesamt waren es mehr als 1000 Städte und Ortschaften im heutigen Deutschland, Polen, Litauen, Weißrussland, Russland, der Ukraine, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, die sich direkt oder indirekt an Magdeburg orientierten. Damit war das Magdeburger Recht das erfolgreichste Stadtrecht des Mittelalters – und das, obwohl Magdeburg nie über diese oder andere Städte bestimmen konnte.

Warum fanden die anderen Städte das Magdeburger Recht so attraktiv?

Zum einen war es wohl die Art, wie es gefunden wurde. Das Gericht war ein „Schöffenstuhl“, in dem ehrbare Bürger, die als Schöffen bestellt waren, unter Leitung eines Richters das Urteil fanden. Sie mussten nicht Jura studiert haben, um Recht zu sprechen, sondern sie vertrauten auf ihre Erfahrungen und, wenn sie nicht mehr weiterwussten, fragten sie in Magdeburg oder an einem anderen „Oberhof“, das heißt einem besonders renommierten Schöffenstuhl nach.

Wichtig war, dass die Fernhändler sicher sein durften, dass sie als Fremde genauso gerecht behandelt wurden, wie die in der Stadt lebenden Bürger. Häufig musste über Streitigkeiten zwischen Nachbarn entschieden werden oder über Auseinandersetzungen zwischen den Erben eines Verstorbenen. Das sind bis heute Fragen, die die Gerichte oft beschäftigen. Sehr modern war, dass im Magdeburger Recht Frauen ohne Zustimmung ihres Mannes vor Gericht ziehen konnten.

In Magdeburg haben die Schöffen in einem Archiv alle Urteile aufbewahrt, die sie getroffen haben. Die vielen tausend „Schöffensprüche“ sind 1631 verbrannt, als Magdeburg im Dreißigjährigen Krieg erobert wurde. Nach diesem Krieg hat der Magdeburger Schöffenstuhl seine Bedeutung verloren und einige Jahrzehnte später wurde Magdeburg preußisch und übernahm preußisches Recht. In manchen Städten wurde das Magdeburger Recht aber bis in das 19. Jahrhundert angewandt.

Dr. Gabriele Köster, Direktorin der Magdeburger Museen